Hintergrund

Welche Nachhaltigkeits-Modelle gibt es?

Helen Hüsser
Helen Hüsser

Nachhaltige Entwicklung umfasst weitaus mehr als nur Klima- und Umweltschutz. Es geht um eigentliche neue Lebenskonzepte, nach welchen Werten wir leben und nach welchen Grundsätzen wir wirtschaften. In den letzten Jahrzehnten haben sich Modelle zur nachhaltigen Entwicklung herauskristallisiert. Sie dienen Politik, Wirtschaft und Wissenschaft bei der Entwicklung neuer Strategien auf dem Weg zu mehr nachhaltigem Handeln. Nachfolgend stelle ich drei Modelle kurz vor.

dimensionen der nachhaltigkeit bild 1

Das 3-Säulen-Modell

Das 3-Säulen-Modell ist in den 1990er Jahren entstanden. Ihm liegt der Gedanke zugrunde, dass drei Säulen das Dach «Nachhaltigkeit» zu gleichen Teilen tragen: Ökologie, Soziales und Ökonomie. Sie stehen gleichberechtigt nebeneinander und sollen Unternehmen und Staaten gleichgewichtet als Richtschnur dienen. Sie sind Leitlinien, die ein nachhaltiges Handeln formulieren.

Das 3-Säulen-Modell der Nachhaltigkeit

1. Die ökonomische Dimension

Jedes Unternehmen muss Gewinn erwirtschaften und regelmässig in moderne Maschinen, neue Standorte und auch in die Mitarbeiter investieren. Ökonomisch zu wirtschaften ist das Ziel und die Motivation jedes Gewerbes. Dabei gilt es, Produktionsprozesse und administrative Abläufe im Hinblick auf die Effizienz zu optimieren und bei Bedarf neu auszurichten. Ziel ist die Aufrechterhaltung der benötigten Eingangsressourcen, bei einer Maximierung des wirtschaftlichen Ertrags. Natürliche Rohstoffe sind jedoch endlich, viele neigen sich jetzt bereits ihrem Ende zu. Je seltener sie sind, desto höher sind die Bezugskosten.

Abhilfe könnte hier die Entwicklung neuer Produktionsprozesse schaffen, zum Beispiel durch eine schrittweise Einführung des Kreislaufsystems. Das Wiederaufbereiten und die Wiederverwendung bereits verarbeiteter Ressourcen schont die Natur und ist erheblich günstiger.

 

2. Die soziale Dimension

Hier steht der Mensch im Vordergrund. Das wichtigste Ziel ist es, Hunger und Armut zu bekämpfen und allen Menschen Zugang zu Bildung und medizinischer Versorgung zu ermöglichen. Ein Leben in Würde steht hier im Mittelpunkt. Es geht aber auch um den generationenübergreifenden Erhalt von Arbeitsplätzen und eine menschenwürdige Entlöhnung. Unternehmen und auch Staaten können dieses Bestreben nur gemeinsam lenken.

 

3. Die ökologische Dimension

Der bewusste Umgang mit unserer Umwelt und ihren natürlichen Rohstoffen stehen hier im Vordergrund. Neben dem Erhalt endlicher Ressourcen ist auch deren Erhöhung das angestrebte Ziel, z.B. durch den Wiederaufbau von CO²-Senken. Erreicht werden kann dies beispielsweise durch eine verbesserte Energieeffizienz und eine Reduzierung des Konsmums respektive Verbrauchs. Der Einsatz nachhaltiger Produkte und deren Herstellung kann die Risiken für Umwelt und Mensch gleichermassen senken.

Der Schwachpunkt

Eine Theorie ist immer nur so gut wie ihre Möglichkeiten zur Umsetzung. Und genau hier liegt der Schwachpunkt des Modells. Es handelt sich hier um Leitgedanken, nicht um konkrete Lösungsansätze. Die Säulen sollen gleichberechtigt betrachtet und behandelt werden. In der Praxis wird in unserer vorherrschenden Wirtschaftskultur die Ökonomie-Säule aber als Basis betrachtet, ohne die nichts läuft. Killerargumente sind stets die Arbeitsplatzsicherung sowie der Wohlstand der Bevölkerung. Der Gedanke der Nachhaltigkeit geht verloren, die Dimensionen Ökologie und Soziales hinken immer nach.

Das Vorrangmodell

Im Vorrangmodell werden die Bereiche in ihrer Abhängigkeit und Beziehung zueinander gewertet. Der Grundgedanke dahinter ist, dass Ökonomie nicht ohne Gesellschaft und diese nicht ohne funktionierende Umwelt existieren kann. Anders ausgedrückt: Die Ökologie ist bei diesem Modell der Nährboden für alles weitere.

Alles Leben dieser Erde basiert auf einem funktionierenden Ökosystem. Die Lebewesen formen darin Gemeinschaften, sie sozialisieren sich. Und in diesem sozialen Umfeld ist ein Austausch zum Überleben und zur Weiterentwicklung notwendig, was sich in der Wirtschaft ausdrückt.

Das Vorrangmodell der Nachhaltigkeit

Dieses Modell ist das simpelste und würde in der Anwendung die Umwelt deutlich höher gewichten als die anderen Bereiche. Doch scheint dazu die Zeit noch nicht reif. Denn wir Menschen haben uns in Jahrtausenden Kulturgeschichte dahingehend entwickelt, dass wir uns eigenlicht gar nicht mehr als Teil der Natur wahrnehmen. Medizin, Technologie und Religion stellen uns Menschen über die Natur sowie über andere Erdenbewohner. Selbstverständlich geschah das nicht mit schlechten Absichten, sondern stets zum Wohl der Menschen, oder zumindest einigen von uns. Als Konzept legt dieses Modell aber den eigentlichen Grundstein zu einer neuen Wertebetrachtung im Nachhaltigkeitsdiskurs: Nature first – because we are nature.

Das Modell der 4 Dimensionen

Da unser Leben weitgehend von organisationalen Strukturen geprägt ist, kommt bei diesem Modell eine vierte Dimension – die Organisation – hinzu. Damit wird im Wesentlichen die Unternehmensführung gemeint, bei andern Modellen auch die Politik.

Die vier Dimensionen gliedern sich wiederum in 21 Themen und 58 Unterthemen. Konkrete Zielvorgaben helfen Unternehmen dabei, ihre eigenen nachhaltigen Leistungen einzuhalten und zu bewerten.

 

4 Dimensionen

Das Modell der 4 Dimensionen

1. Dimension: Ökologie

  • Biodiversität
  • Wasser
  • Bodenschutz
  • Luftqualität
  • Nutzung von Ressourcen
  • Tierwohl

2. Dimension: Soziales

  • Fairer Handel
  • Gesundheit
  • Wohlstand
  • Traditionelles Wissen
  • Arbeitsrecht
  • Gleichberechtigung

3. Dimension: Ökonomie

  • Nachhaltige Investitionen
  • Stabile Lieferbeziehungen
  • Regionale Wertschöpfung
  • Langfristige Investitionen
  • Produktwertigkeit

4. Dimension: Organisation

  • Gesellschaftliche Verantwortung
  • Unternehmensethik
  • Nachhaltige Ressourcen
  • Transparenz
  • Vorsorge
  • Konfliktlösung

In einer Variante wird das Modell auch «Viereck der Nachhaltigkeit» genannt, dieses ersetzt Organisation durch Politik. Basierend auf der Annahme, dass komplexe Themen wie Armut oder die Ausgrenzung bestimmter Bevölkerungsgruppen nur auf politischer Ebene gelöst werden können. Auch die Bereitstellung sozialer Leistungen oder die Verwaltung von natürlichen Rohstoffen beginnt mit Entscheidungen, die in der Politik getroffen werden.