Branding

Selfmade-Design von KMU

Helen Hüsser
Helen Hüsser

Ich mag ästhetische Dinge, Design ist ein fester Bestandteil in meiner Arbeit. Gleichzeitig – oder vielleicht deshalb – zieht mich der Reiz des Unperfekten ebenso in seinen Bann. Denn in Zeiten, wo die Professionalisierung voranschreitet, vieles durchdacht, nichts dem Zufall überlassen scheint, schleicht sich bei mir ab und zu ein Sättigungsgefühl ein. Da bietet der herbe Charme von Selbstgestaltetem dem verwöhnten Auge eine willkommene Abwechslung. Es scheint doch noch nicht alles perfektioniert, und das lockere Selbstverständnis der Selfmade-Kultur kann befreiend wirken. Aber das ist nur die eine Betrachtungsweise, und die hat nichts mit dem ursprünglichen Zweck dieser Werbemittel zu tun.

Autobeschriftung «Selfmade»
Flyer «Selfmade»
Ladenbeschriftung «Selfmade»
Flyer «Selfmade»
Ladeneingang Selfmade
Webdesign «Selfmade»

Gerade KMUs machen vieles selber

Seit ich aufs Land gezogen bin – auch wenn «mein Land» nur 30 Minuten von Zürich entfernt liegt – treffe ich sie viel mehr an, die Werbebotschaften aus eigener Hand: Logos, Flyer, Plakate, Beschriftungen. Die meisten stammen von kleinen oder mittleren Unternehmen, den KMUs. Hier scheint die Akzeptanz für Gestaltetes der Sorte Selfmade grösser. Die Kulturgeschichte hält viele Erklärungen für dieses Phänomen bereit. Eine davon ist, dass mit zunehmender Distanz zu Zentren die Designaffinität sowie das Trendbewusstsein abnehmen. Das mag sein. Aber ich höre von Unternehmern und Inhaberinnen immer wieder auch andere Begründungen. Und drei davon sind die Folgenden.

«Was günstig aussieht, das wirkt bei unseren Kunden.»

Einige Unternehmer und Inhaberinnen denken, ihre Kunden bewerten es positiv, dass das Unternehmen sein Geld nicht für teure Marketingzwecke ausgebe. Sondern es in die guten Produkte und den Service investiere. Das suggeriere automatisch einen günstigen Preis für ihre Produkte und Dienstleistungen.

 

Gegenargument

Mit dieser Erwartungshaltung, die hinter dem Selfmade-Look steckt, kann tatsächlich bewusst gearbeitet werden. Es macht aber nur Sinn, wenn das Angebot auch wirklich günstig ist. Meine Empfehlung: Das Unternehmen sollte seine Positionierung überprüfen und klären, ob das Label «günstig» wirklich zur Strategie gehört. Oder ob man nicht doch hochwertige Qualität anbietet und dafür auch einen anständigen Preis verlangen möchte. Denn dann ist Selfmade falsch am Platz.

 

«Designleistungen sind teuer, das können wir uns nicht leisten.»

Statt Geld in ein Logo oder eine Website zu stecken, investieren die Unternehmenden lieber ins Kerngeschäft. Einfache Werbemedien texten und erstellen sie mit den heutigen technischen Mitteln komplett selber. So sparen sie Geld.

 

Gegenargument

Professionelles Kommunikationsdesign ist nicht gratis. Aber ohne Kommunikationsmittel kann schlecht akquiriert werden, und ohne Akquisition gibt es keine Geschäfte. Hier rate ich zum strategischen Vorgehen mit folgenden Fragen: Auf welche Weise akquirieren wir? Welche Medien helfen uns dabei? Wie ticken unsere Kundinnen und Kunden? Was ist zwingend nötig für den Geschäftsgang, was ist «nice to have»? Läuft die Akquisition bei einem Kleinunternehmen z.B. primär über persönliches Networking, reicht anfangs oft ein Miniflyer plus eine einwandfreie Website.

 

«Design ist für uns nicht wichtig.»

Für uns zählen die Leistungen, der Service, unsere Kompetenz und natürlich unsere Produkte. Das Drumherum ist zweitrangig und wird überschätzt.

 

Gegenargument

Ob ein professioneller Firmenauftritt zu den wichtigen Eckpfeilern einer Firma gehört wie etwa eine saubere Buchhaltung oder eine funktionierende IT, da sind sich nicht alle KMUs einig. In zwei Bereichen funktioniert dieses Argument aber mit Sicherheit nicht. Erstens bei ästhetikaffinen Branchen wie Architektur, Einrichtung, Mode, Lifestyle, Beauty usw. Sie richten sich an eine ästhetisch anspruchsvolle Zielgruppe. Aber noch wichtiger, es funktioniert nicht im Geschäftskundenbereich. B2B-Kundinnen und -Kunden sind up to date. Sie nehmen Selfmade-Kommunikationsmittel eher negativ auf und assoziieren damit oft unterbewusst eine allgemeine Unprofessionalität.

Fazit

Unterschätzen Sie die Wirkung Ihrer Firmenkommunikation nicht, genauso wenig wie die Urteilskraft Ihrer Kundschaft. Entscheiden Sie sich bewusst für eine bestimmte Optik in Ihrem Auftritt, die zur Firma passt. Der Selfmade-Look mag für Einzelfirmen im Handwerkerumfeld passen oder für Nebenerwerbe im Privatkundenkreis.

Ein professioneller Firmenauftritt inklusive gutem Design und klaren Botschaften transportiert Ihr Angebot, die Werte der Menschen dahinter und Ihre Unternehmensphilosophie auf stimmige Weise. So kann er einen schönen Beitrag zum Gesamterfolg der Firma leisten.

 

Bil­der: Helen Hüsser, Domi­ni­que Wid­mer